Mittwoch, 10. August 2016

Salento (8. - 11. August)

Um 7:30 stehe ich auf. Nachts hat es heftig gewittert und der Regen hat kräftig auf das Dach getrommelt. In aller Ruhe packe ich meine Sachen zusammen und genieße eine heiße Dusche. Dann gehe ich zum Frühstück runter ins Erdgeschoss und bestelle ein Taxi zum Stadtflughafen Olaya Herrera. Kurze Zeit später checke ich ein und bin froh, dass die Dame am Checkin nichts zu meinem zu schweren Gepäck sagt, denn auf diesem Flug sind nur 15 Kilogramm incl. Handgepäck erlaubt. Da liege ich deutlich darüber. Das Boarding beginnt pünktlich und ist nach wenigen Minuten auch erledigt - ein deutlicher Vorteil der kleinen Turboprop-Maschinen. Sehen kann ich leider gar nichts, da das nächste zu weit weg ist. Es ist eng und laut, aber der Flug nach Pereira dauert ab Start nur gut 35 Minuten. Das ist auszuhalten.


In Pereira gelandet warte ich auf meine Tasche und nehme dann sofort ein Taxi zum Busbahnhof, wo ich einen Passagier des Fluges von Miami nach Medellín wiedertreffe. Die Welt ist schon klein! Der nächste der eher sporadischen Busse von Pereira nach Salento steht auch schon zur Abfahrt bereit - das klappt wie am Schnürchen. Die Fahrt dauert etwas über eine Stunde und mit jedem Kilometer durch die bukolische Landschaft des Kaffeedreiecks freue ich mich mehr auf Salento. Anders als früher hält der Bus nicht mehr an der Plaza sondern ein gutes Stück Berg- und Talstrecke davon entfernt. Zu meiner Unterkunft, der Posada del Café von María Elena, finde ich aber blind und meine Tasche hat ja Rollen. Als ich die Hauptstraße Calle Real entlang laufe, stelle ich fest, dass sich deren Charakter in den letzten drei Jahren ziemlich verändert hat - ein Souvenirladen nach dem anderen. Das meiste davon ist schon auf den ersten Blick als China bzw. Indonesien-Massenware zu erkennen. Schade! Vor der Posada überrasche ich María Elena und ich werde mit großem Hallo und  Umarmungen willkommen geheißen. Ich bin sofort zuhause. Und die Posada ist schöner denn je. María Elena und ich reden erst einmal geraume Zeit miteinander und dann beziehe ich mein Zimmer. María Elena eröffnet mir, dass momentan nur wenige Stunden am Tag Wasser aus der Leitung kommt, denn die Region leidet unter einer langanhaltenden Dürre und die Reservoirs sind leer. Na gut, dann wird eben weniger ausgiebig geduscht. 









Nach einiger Zeit gehe ich dann vor die Tür. Zuerst hinauf zum Aussichtspunkt "Mirador" und dann direkt weiter zum etwas außerhalb gelegenen Restaurant "Portal de Cocora", wo ich wie "üblich" meine Forelle in Knoblauch-Zitronenöl mit knusprigem Riesen-Patacón (frittierter Kochbananenfladen) esse, dazu ein leckerer frischer Maracuyasaft und zum Abschluss die legendäre Maracuyacreme. Und das alles mit fantastischem Ausblick auf das Cocoratal. Von Anita, der Wirtin, werde ich gleich wiedererkannt und nach dem Essen unterhalte ich mich noch eine Weile mit ihr und ihrem Mann. Ein richtig gelungener Nachmittag.








Nach einem kurzen Verdauungsspaziergang durch Salento, aber so ganz kann ich mich mit der Entwicklung nicht anfreunden. Zu viel hat der Ort an Authentizität verloren. Kaum zu glauben, dass 2011 Ausländer fast mit der Lupe zu suchen waren! Trotzdem - malerisch und schön ist Salento natürlich immer noch. Den Abend verbringe ich im Gespräch mit María Elena, einem kurzen Spaziergang in der Calle Real und Arbeiten am Blog draußen im offenen Wohnzimmer der Posada bis es mir zu kalt und zu mückengeplagt wird. Gegen 23 Uhr mache ich dann schon das Licht aus.

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 7:45. Auf Duschen verzichte ich, denn ich habe heute eine lange und teilweise auch schweißtreibende Wanderung durch das Cocoratal vor mir. Beim Frühstück unterhalte ich mich wieder mit María Elena und dann breche ich auf. Ich freue mich schon so auf ein Wiedersehen mit der Traumlandschaft des Valle de Cocora. Auf der Plaza steige ich in einen der typischen Willys-Jeeps und als wir genügend Leute sind, geht es schon 20 Minuten vor der Zeit los. Umso besser, dann bin ich früher im Tal. Die Fahrt dauert gute 20 Minuten. Dabei beobachte ich im Rückspiegel, wie der Fahrer ständig auf die Schenkel der neben ihm sitzenden französischen Touristin starrt... So gut geformt die Schenkel auch sein mögen, ich schaue lieber auf die an mir vorbeigleitende Landschaft. In Cocora angekommen, mache ich mich langsam auf den Weg und lasse die anderen an mir vorbeiziehen und habe so meine Ruhe. Der Plan geht weitestgehend auf. Der erste Teil führt über offenes Weideland, immer am Fluss entlang. Die Landschaft ist noch genauso herzergreifend schön wie die letzten drei Male. Ich weiß nicht woran es liegt, aber irgendwie bringt dieses Tal etwas ganz tief in mir zum klingen (und ich meine das nur im übertragenen Sinn!).








Nach einiger Zeit erreiche ich den Rand des Nebelwalds und der Weg wird steiler und teilweise matschig. Immer wieder quere ich den Fluss über schwankende Hängebrücken. Es sind zwar einige Leute unterwegs, aber überlaufen kann man das sicher nicht nennen. Gut so! Ich halte weiterhin möglichst viel Abstand zu den anderen, komme aber 2-3 Mal mit anderen ins Gespräch, unter anderem mit einer Gruppe Spanier. Früher als erwartet erreiche ich den Abzweig zur Finca La Montaña. Ab hier geht es ziemlich steil bergauf, aber bevor Lunge und Kopf zerspringen (Mann, bin ich unfit!) lichtet sich der Wald und die Finca ist zu erahnen.







Rotes Kreuz mal anders
Oben angekommen gönne ich mir erst einmal einen Kaffee und schaue den Kolibris zu, die immer wieder die vielen Blumen im Garten der Finca besuchen. Im Vergleich zu früher wahren sie aber mehr Abstand. An ein tolles Foto ist nicht zu denken, aber das ist nur halb so schlimm, denn da habe ich ja schon ein paar. Bald darauf kommen auch die Spanier oben an und wir unterhalten uns eine geraume Weile über Kolumbien und Gott und die Welt, dann beginnt der für mich schönste Teil einer absolut magischen Wanderung - der Weg auf der Forststraße hinab ins Tal, zu den Wachspalmen. Ich lerne dabei zwei sehr nette Holländerinnen kennen, aber als das Panorama immer fantastischer wird verabschiede ich mich, denn ich will das Tempo massiv drosseln und halte alle paar Meter inne. Zum einen für Fotos, aber dann auch oft viele Minuten lang einfach nur, um den Blick zu genießen. Die Landschaft erfüllt mich durch und durch mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl und einer seltsamen Mischung aus tiefer Ruhe und elektrisierender Freude. Da will ich keine Gespräche führen, da will ich einfach nur ganz DA sein. Und so brauche ich viel länger als die anderen, die den Weg auch noch abkürzen. Abkürzen?!? Ich wünschte, er wäre länger, denn aller Langsamkeit zum Trotz sind irgendwann fünf Kilometer bewältigt. Die Lichtstimmungen wechseln schnell, ebenso wie das Wetter. Mal ist es dicht bewölkt, dann wieder brennt die Sonne vom Himmel und es wird fast schon heiß. 































Kein Weg ist zu weit, um ins Cocoratal zu kommen!

Im Weiler Cocora angekommen nehme ich den nächstbesten Jeep zurück nach Salento und schwärme María Elena von meinem Tag im Tal vor. Sie freut sich sichtlich, dass es mir wieder so gut gefallen hat. 








Als endlich wieder Wasser da ist, stelle ich mich unter die Dusche, aus der es aber mangels Druck nur tropft. Das reicht auch nicht aus, damit das Wasser erwärmt wird - ich "darf" also eiskalt duschen und das auch nur unter einem kläglichen Rinnsal. Das dauert! Zur Belohnung gehe ich in das gegenüberliegende Restaurant Bernabé, das ich noch unter anderem Namen (als "Alegra") kenne. María Elena hat mir davon vorgeschwärmt und weil es mittlerweile regnet will ich auch nicht allzu weit laufen. Das Restaurant ist voll, aber ich finde noch einen trockenen Platz im Garten unter einem Stoffdach. Ich bestelle Fettuccelle in Bolognesesauce mit Knoblauchbrot. Während ich auf das Essen warte, werde ich von einem Paar gefragt, ob sie sich zu mir an den Tisch setzen dürfen, denn sonst ist alles voll. Wir kommen dann richtig gut ins Gespräch und haben einen richtig netten Abend. Wir wechseln ständig zwischen Deutsch und Englisch, denn Edda kommt aus Köln und David aus Brüssel. Das Essen ist auch sehr lecker und zur Feier des Tages gönne ich mir einen Daiquiri mit Lulo, einer leckeren Frucht. Und zum Abschluss noch einen leckeren Cortado. Ein toller Abend und ein wunderbares Finale für diesen Tag! 


Am nächsten Morgen wache ich deutlich vor dem Wecker auf, aber trotzdem stehe ich erst um viertel vor acht auf und mache mich fertig für´s Frühstück. Eine gute Stärkung für den Marsch zum privaten Naturschutzpark Kasa Guadua, wo ich um 9 erwartet werde. María Elena gibt mir noch Obst mit für die Carlos und seinen englischen Lebensgefährten Nicholas, die dieses Naturschutzgebiet als Lebensaufgabe betreiben. Der Weg zur Kasa Guadua ist herrlich, die Blicke auf die umgebende Landschaft einfach fantastisch.





Viertel vor neun erreiche ich den Eingang von Kasa Guadua und werde dort bereits von Carlos und einem schweizer Paar erwartet. Wir unterhalten uns super und Carlos freut sich über die Grüße und das Obst von María Elena. Nach und nach kommen auch die anderen und nach kurzer Vorstellrunde gehen wir los - 3,5 Kilometer durch verschiedenste Vegetationszonen liegen vor uns. Carlos erklärt kurzweilig und sehr gut verständlich so einiges, dem wir auf dem Weg begegnen und es überrascht niemanden, als wir erfahren, dass Carlos Philosophie studiert hat. Bei jedem Satz von Carlos ist zu spüren, wie wichtig ihm die Bewahrung dieses Ökosystems ist. Sozusagen sein und Nicholas´ Lebenswerk. Mit viel Humor und noch mehr Enthusiasmus führt er uns gut drei Stunden durch sein Reich und verdeutlicht auch beim Zeigen der Lodge, welche Prinzipien und Philosophien zugrundeliegen. Noch nie war er mit einer so großen Gruppe im Wald unterwegs, aber die sehr internationale Gruppe funktioniert gut und die Stimmung ist bestens. Carlos zeigt uns viele Wachspalmenschösslinge und erklärt, dass das Valle de Cocora ein zukünftiger Wachspalmenfriedhof ist, denn die Palmen benötigen zwingend Wald, um wachsen zu können. Und der wurde in Cocora dort wo heute die Palmen stehen, vor zig Jahren bereits abgeholzt... Bereits in wenigen Jahrzehnten werden die majestätischen Palmen alle umgefallen sein, neue Palmen können nicht mehr nachwachsen. Eine traurige Aussicht.



Carlos erklärt uns das Ökosystem Nebelwald in gut verständlicher (englischer) Sprache

Wachspalmen-Baby



Wir verlassen Carlos nach einer kleinen Spende, denn die Führung an sich kostet nichts und ein kolumbianisches Ehepaar bietet mir an, mich zur nächsten Station, der Kaffeeplantage von Don Elías zu fahren. Da sag ich nicht nein. Auf dem Weg sammeln wir noch zwei andere Kasa Guadua-Besucher auf und ein und setzen die beiden an einer anderen Kaffeefinca ab. Als wir bei Don Elías ankommen, muss ich erfahren, dass der alte Herr selbst heute leider nicht da ist und sein Enkel Carlos die Führung macht. Die Enttäuschung währt nicht allzu lange, denn die Führung ist auch beim Enkel interessant und kurzweilig. Für viel Erheiterung sorgt ein Huhn, das fatale Ähnlichkeit mit Donald Trump hat. Natürlich gibt es, nachdem alles erklärt und vorgeführt wurde, auch eine Kostprobe des eigenen Kaffees. Er schmeckt immer noch sehr gut. Edgar und Gloria, das kolumbianische Paar aus Bogotá nimmt mich im Auto zurück nach Salento und bevor die beiden weiterfahren ins Valle de Cocora tauschen wir noch Adressen und nette Worte aus. Sehr sympathische Leute!









Ich schaue auf die Uhr, es ist kurz vor zwei. Gestern Abend hatten Edda, David und ich gesagt, dass wir, sollten wir nicht andersweitig beschäftigt sein, uns wieder im Café Bernabé treffen wollen. Also schlendere ich dort hin. Noch ist niemand da, also bestelle ich einen Lulo-Saft und warte. Und tatsächlich - wenige Minuten später kommen die beiden. Wir unterhalten uns wieder richtig gut im deutsch-englischen Sprach-Mischmasch und trinken einen besonders starken Kaffee, den sie uns gestern Abend nicht mehr empfohlen haben, den sogenannten Cold Brew. Die Zubereitung dauert gute drei Tage und das Ergebnis ist ein Kaffee, der um ein Vielfaches mehr Koffein hat als ein normaler Espresso. Wir schauen dann aber doch ein wenig überrascht drein, als mit Eiswürfeln gefüllte Weingläser mit kaltem Kaffee serviert werden. Der Kaffee schmeckt äußerst kräftig, rauchig und sauer bis bitter mit einem stark schokoladigen Nachgeschmack. Definitiv interessant. 


Zum Abschluss trinken wir noch einen Lulo-Saft und dann brechen wir auf. Die beiden reisen heute noch nach Bogotá. Ich gehe zurück zur Posada und erzähle María Elena von meinem Tag und mache mich dann stadtfein (wieder eiskalte Tröpfeldusche). Eigentlich wollte ich im Portal de Cocora essen, aber die haben heute zu. Stattdessen haben mir Edda und David ein anderes Lokal im Ort empfohlen und María Elena meint auch, dass das Restaurant gut sei. Bevor ich losgehe organisieren María Elena und ich für morgen einen Privattransport in das Städtchen Filandia, das noch schöner als Salento sein soll. Da will ich morgen vormittag noch hin bevor ich nach Cali weiterreise. 

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Das Essen im Donde Laurita ist lecker - gratinierte Forelle mit Champignons und Patacón. 


Ich halte mich aber nicht allzu lange auf, kaufe noch ein Bier und setze mich dann ins offene Wohnzimmer der Posada um Blog zu schreiben. Das dauert dann auch gute vier Stunden (so lange hat es gedauert, diesen Eintrag zu schreiben und mit Bildern zu veröffentlichen) und dann gehe ich gegen Mitternacht ins Bett. 

--- Fortsetzung folgt --- 


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