Ich bin nach einer kurzen Nacht
mit weiteren Klimaanlagenproblemen dann auch pünktlich fertig, aber der Pick-Up
verspätet sich, weil mich der Fahrer nicht findet.
Das lässt mich vermuten,
dass die anderen Passagiere schon an Bord sind und dass mir eine sehr unbequeme
Fahrt bevorsteht. Und ich täusche mich nicht. Ich bekomme den mittleren „Sitz“
auf der Rückbank zwischen zwei Damen, die gut im Futter sind. Kalt wird mir so
trotz der arktisch eingestellten Klimaanlage jedenfalls nicht. Jede Minute ist
eine Tortur, in immer schnellerer Folge krampft meine Beinmuskulatur, alles tut
weh und als wir nach zwei Stunden eine Pause machen, komme ich schier nicht
mehr aus der Kabine. Das entgeht dem Fahrer nicht und er sieht meine Narbe am
Knie und er schließt, dass das wohl die Ursache für mein schmerzverzerrtes
Gesicht im Rückspiegel gewesen ist. Ich widerspreche nicht direkt, meine aber,
bis zur Fähre halte ich noch durch. Dann die Hiobsbotschaft: es gibt
mittlerweile eine durchgängig asphaltierte Strecke mit Brücke… verfluchter
Fortschritt! Darauf werfe ich erst einmal eine Ibu 600 ein. Anscheinend hat der
Fahrer aber mit den Passagieren gesprochen und die zierlich-handlich kompakte
Dame vom Vordersitz tauscht mit mir. Jackpot! Ich kann mich bewegen und habe
fast sowas wie eine bequeme Fahrt. Die Dame fühlt sich hinten anscheinend auch
wohl, denn sofort beginnt hinten ein ausführlicher (und nicht immer ganz
wohlwollender) Kaffeeklatsch über Momposiner, die nicht im Pick-Up sitzen. So
hält sich jedenfalls mein schlechtes Gewissen in Grenzen. Und auf einmal fühlt
sich die Fahrt gar nicht mehr so lange an – und es sind auch nicht mal mehr 5
Stunden von Cartagena nach Mompós. Da habe ich früher einige Stunden mehr
gebraucht. Vor dem Bioma Boutique Hotel steige ich frisch (und gut gekühlt) aus
und werde von der Rezeptionsdame Ruby sehr herzlich begrüßt und bekomme sofort
ein Begrüßungsbier bevor ich zu meinem Zimmer gebracht werde. Das Bioma ist
immer noch so herrlich wie vor vier Jahren. Ich habe definitiv das Zimmer mit
dem kürzesten Weg zum Pool – in der Gluthitze Mompós ein nicht zu
unterschätzender Standortvorteil. Den ich auch gleich nutze. Ich dümple eine
ganze Weile im pritschelwarmen Wasser des Pools. Aber nur so lässt es sich in
der Sonne aushalten.
Dann kommen Gerardo und Rosalba,
die Besitzer des Bioma, die sich noch genauso gut an mich erinnern wie ich mich
an sie. Klar, dass wir uns nach einer sehr herzlichen Begrüßung erst einmal in
aller Ruhe unterhalten bevor ich mich dann doch hinaus in die Hitze wage.
Schnell stelle ich beruhigt fest, dass trotz ein paar städtebaulicher Projekte
Mompós sich treugeblieben ist. Eigentlich ist Mompós gar kein Ort, viel mehr
ein Zustand, ein Lebensgefühl. Es ist die stadtgewordene Entschleunigung, als
ob die Zeit stehen geblieben wäre. Das ist sie natürlich auch in diesem
entlegenen Winkel der Welt nicht – in den Häusern stehen Flatscreen-TV und auch
in Mompós sind die Smartphones mittlerweile bei der großen Mehrheit angekommen.
Der große Unterschied ist aber, dass die Leute trotzdem lieber von Angesicht zu
Angesicht miteinander reden und die Handys dabei unbeachtet in der Hand halten
als starr auf den Monitor zu schauen. Selbst die Jungen! Die meisten Menschen
grüßen mich mit einem freundlichen Lächeln. Der Zauber von Mompós, ich bin ihm
sofort wieder erlegen. Mompós, das sind alte Männer, die mit nacktem Oberkörper
am Türstock der immer offenen Haustüre lehnen und schauen was draußen so alles
(nicht) passiert, Frauen, die im Schatten von Sonnenschirmen oder Hauseingängen
plauschen, Männer, die auf Rollern, Fahrrädern oder Motorrädern sitzen und –
meist in Gruppen und schweigsam – aus dem Schatten dem gemächlichen Treiben
zusehen. Die Kinder sind in der Schule und verpassen nichts. Gegen Mittag flüchtet
sich wer kann ins kühle(re) Haus, alle anderen drängen sich im raren Schatten,
die Zeit bleibt für ein paar Stunden stehen, wahrscheinlich, weil auch die
Uhren diese infernalische Hitze nicht aushalten. Damit es auch in Zukunft noch
Momposinos gibt, legen so gut wie alle Männer zotteliges Kunstfell auf die
Sättel ihrer zweirädrigen Gefährte und schützen somit die Familienjuwelen davor
zu kochen. Die zentrale und wunderschön renovierte Plaza de la Concepción ist
mittlerweile schöner denn je, denn mittlerweile ist auch der herrliche alte
Markt mustergültig renoviert – gerade noch vor dem endgültigen Verfall! Die
Straße direkt am Fluss wurde zu einer hübschen Promenade umgestaltet, doch in
der prallen Mittagssonne ist außer mir kaum einer so blöd, das Haus zu
verlassen. Und auch flüchte mich in den Schatten und trinke einen eiskalten Corozosaft auf der Plaza.
Allzu lange bin ich aber auch nicht unterwegs, dann zieht es mich
verschwitzt aber sehr zufrieden erst einmal zurück zum Pool. Während ich ausgiebig plantsche
kommen Rosalba und Gerardo zum Mittagessen und wir unterhalten uns ausgiebig bis
es kurz vor drei Zeit wird für meinen nachmittäglichen Ausflug in die Welt der
großen Sümpfe. Wie ich erfahre mit Fredy López, der mir schon die beiden Male
zuvor diese ganz eigene Welt gezeigt hat.
Ich treffe ihn an der neuen
Anlegestelle am alten Markt und dann geht es auch schon los. Zusammen mit ein
paar anderen Gästen (einer französischen Familie und einem Japaner) steigen wir
ins Boot und fahren ein paar Meter auf dem Brazo Mompós, einem Seitenarm des
mächtigen Río Magdalena. Dann legen wir auf dem anderen Ufer an. Das kenne ich
noch nicht - sonst waren wir immer die ganze Zeit auf dem Boot. Das geht aber
derzeit nicht, weil das der Fluss und die Kanäle nicht genug Wasser führen.
Also steigen wir in der Siedlung El Horno um auf´s Mototaxi und fahren auf
einer staubigen Piste vorbei ein Sumpfwiesen, auf denen Ceburinder grasen und
in deren Tümpeln sich Schweine mit Hingabe suhlen. Nach gut 10 Minuten
erreichen wir den Eingang in die Lagune und steigen wieder um auf´s Boot, das
mittlerweile von zwei Jungs dorthin gebracht wurde. In schneller Fahrt geht es
hinauf auf die große Lagune bis zu einer Insel, auf der Tausende von
krächzenden Kormoranen in den Bäumen sitzen. Fredy erklärt uns, dass der Kot
der Vögel die Bäume tötet und auch rundherum nichts mehr wachsen lässt. Als
Fredy dann mehrere laute Rufe loslässt, erheben sich die Vögel in einer großen
Wolke aus dem Geäst und landen aufgeschreckt auf der Lagune. Wir fahren weiter
zu einer anderen Insel, auf der wir auch landen, und Fredy zeigt uns einen Greifvogel,
der typisch ist für die Gegend und zeigt uns den Hof einer Familie, die hier in
einfachsten Verhältnissen lebt. Dann geht es zurück zum Kanal, wo bereits das
Mototaxi auf uns wartet. Auf der Fahrt zurück zum Brazo Mompós besorgt Fredy
uns noch eine lokale Süßigkeit aus Yucca und Kochbanane. Gewöhnungsbedürftig,
aber essbar. Ich finde Schokolade aber eindeutig besser. Auf dem Fluss zeigt
Fredy uns noch einige Vögel und Leguane, die auf den Ästen der Bäume in der
Sonne liegen. Zu dumm, dass ich mein Zoomobjektiv im Hotel vergessen habe… Auch
ein paar Eisvögel kriegen wir zu sehen. Dann wird es Abend und die untergehende
Sonne zaubert ein Farbenspiel auf Himmel und Fluss, eingerahmt von den
schwarzen Silhouetten der Bäume. Schließlich erreichen wir Mompós und nach
einem längeren Gespräch mit Fredy gehe ich zum Hotel und springe wieder in den
Pool. Über mir das Kreuz des Südens. Das ist Leben!
Und es wird noch besser – um
19:30 Uhr gibt es Abendessen. Vor vier Jahren habe ich hier bereits lecker
Fisch gegessen. Ein Fisch namens Pacora in Knoblauchöl. Und Don Gerardo hat
sich daran erinnert, dass ich damals so begeistert war und mir gleich
mitgeteilt, dass es den Fisch immer noch gibt. Natürlich habe ich gleich für
abends bestellt und so erwartet mich ein köstliches Festmahl mit Empanadas als
Vorspeise, Pacora mit Yucca und Patacón und zum Abschluß Papayagelee und
eingelegte süße Limetten. Und dazu Corozosaft. Ich bin im siebten Himmel und
danach pappsatt.
Laut Reiseführer würde nach der
lähmenden Hitze des Tages nachts das Leben auf den Straßen toben. Das wäre mir
zwar neu, aber gut, schauen wir einfach mal. Die Hauptstraße liegt weiter wie
ausgestorben da. Aber wer weiß, vielleicht auf der Plaza de la Concepción? Da
sitzen tatsächlich 5-6 Leutchen in den typischen geflochtenen Schaukelstühlen
und spielen Schach. Die (wenigen) Bars und Restaurants sind verwaist. Ich setze
mich auf einen der vielen leeren Stühle und bestelle eine sehr leckere und
erfrischende Limonada de Coco und danach ein Bierchen. Die Bedienungen sind
wahnsinnig lieb und herzlich und so genieße ich das Nachtleben von Mompós – das
eigentlich nur aus mir zu bestehen scheint.
Zurück im Hotel gehe ich wieder
in den Pool und bald leisten mir Italienerinnen Gesellschaft. Heute ist eine
größere italienische Reisegruppe angekommen. Wir unterhalten uns nett in einer
interessanten Mischung aus Englisch, Italienisch und Spanisch. Dann ziehe ich
mich zurück, denn nach dem langen Tag bin ich ordentlich müde. Noch eine
ausgiebige Dusche in der stylischen Badlandschaft und Fernsehen, dann schalte
ich das Licht aus und schlafe sofort ein.
Morgens um 6 reißen mich die
Italiener aus dem Schlaf, die sich beim Frühstück laut unterhalten. Na, grazie
mille… Aber geschlafen habe ich bis dahin gut. Ich drehe mich einfach noch ein
paar Mal um schlafe tatsächlich noch einmal kurz ein. Das Frühstück ist
hervorragend mit Saft, Obst und Rührei mit Arepas. Ich fühle mich ausreichend
gestärkt für den Tag, gehe aber noch in den Pool bevor ich wieder durch Mompós
streife. Ziel des Morgens ist der Friedhof, der eine ganz eigene Stimmung hat.
Ich gehe aber nicht den direkten Weg, sondern mache einen Schlenker hinab zum
Markt, wo die Metzgereien das Fleisch am Wegesrand hängen haben. Auf dem Platz
der rot-weißen Kirche San Francisco setze ich mich in den Schatten und höre dem
Unterricht in der Grundschule zu. Mittlerweile ist das fiktive Quecksilber
schon wieder auf über 40°C geklettert. Entsprechend gemächlich schlendere ich
zum Friedhof, dem Ort, an dem das Leben an die Ewigkeit grenzt, wie eine
Inschrift im Portal deutlich vor Augen führt.
Der Friedhof ist noch immer ein wildes Durcheinander von Gräbern aller Art. Neue Mode scheint zu sein, den Grabstein mit einem Foto des Verstorbenen zu bedrucken. In der kleinen Kapelle haust wie eh und je eine kleine, ziemlich räudig aussehende Katzenfamilie. Nach meinem kurzen Besuch auf dem Gottesacker setze ich mich in den Schatten und genieße still vor mich hin. Kurze Zeit später trifft die italienische Reisegruppe mit ihrer einheimischen Reiseführerin Ingrid mit großem Hallo auf dem Friedhof ein. Die Italienerinnen vom Pool begrüßen mich wie einen alten Bekannten und Ingrid, die auch Deutsch spricht, unterhält sich mit mir. Sie ist begeistert, dass ich Mompós genauso liebe wie sie, denn vielen (vor allem italienischen) Touristen fehlen Sehenswürdigkeiten. Sie sehen nicht, dass das Lebensgefühl von Mompós die größte Attraktion ist.
Der Friedhof ist noch immer ein wildes Durcheinander von Gräbern aller Art. Neue Mode scheint zu sein, den Grabstein mit einem Foto des Verstorbenen zu bedrucken. In der kleinen Kapelle haust wie eh und je eine kleine, ziemlich räudig aussehende Katzenfamilie. Nach meinem kurzen Besuch auf dem Gottesacker setze ich mich in den Schatten und genieße still vor mich hin. Kurze Zeit später trifft die italienische Reisegruppe mit ihrer einheimischen Reiseführerin Ingrid mit großem Hallo auf dem Friedhof ein. Die Italienerinnen vom Pool begrüßen mich wie einen alten Bekannten und Ingrid, die auch Deutsch spricht, unterhält sich mit mir. Sie ist begeistert, dass ich Mompós genauso liebe wie sie, denn vielen (vor allem italienischen) Touristen fehlen Sehenswürdigkeiten. Sie sehen nicht, dass das Lebensgefühl von Mompós die größte Attraktion ist.
Und das erkunde ich weiter,
bei einem kühlen Lulosaft an der Plaza de la Concepción.
Danach ist es wieder Zeit für die
Siesta mit Gesprächen mit Don Gerardo und Rosalba und dem obligatorischen
Poolbesuch bis es langsam etwas weniger heiß ist.
Danach drehe ich ziellos meine Runden in der Stadt und setze mich schließlich vor die Kirche Santa Bárbara. Früher war die einmalige Barockkirche knallgelb, mittlerweile ist die Farbgebung deutlich gedeckter. Schade eigentlich. Mit dem Abend erwacht das Leben in Mompós – Kinder kommen aus der Schule und kicken auf jeder freien Fläche, unter anderem auch vor Santa Bárbara.
Als es langsam dunkel wird, wobei das hier nicht passt, denn eigentlich wird es rasend schnell dunkel, trinke ich noch eine Limonada de Coco auf der Plaza und danach spaziere ich zurück zum Hotel.
Dort angekommen entscheide mich für ein Bad im Whirlpool auf dem Dach. Wilmar, der gute Geist des Hauses, schaltet für mich die Beleuchtung ein und dann genieße ich die Stille – bis 4 Italienerinnen kommen. Dann ist es mit der Stille vorbei, aber dafür entwickelt sich eine nette mehrsprachige Unterhaltung mit Blick auf die Dächer von Mompós und die Zeit bis zum Abendessen vergeht schnell. Heute gibt es Pacora in Currysauce und zuvor wieder Empanadas. Getränk der Wahl ist selbstverständlich wieder frischer Corozosaft und als Nachtisch gibt es einen Kuchen. Wieder einmal köstlich. Beim Abendessen leisten mir Rosalba und Gerardo gute Gesellschaft.
Ich werde herzlich verabschiedet und drehe dann noch eine Runde. Die Plaza ist heute noch leerer als gestern. Ich biege ab in die Uferpromenade und gönne mir an meinem letzten Abend in Mompós am Fluss einen Mojito.
Dann wird es Zeit, zurück zum Hotel zu gehen und meine Sachen zu packen. Um 5:00 werde ich nämlich abgeholt.
Danach drehe ich ziellos meine Runden in der Stadt und setze mich schließlich vor die Kirche Santa Bárbara. Früher war die einmalige Barockkirche knallgelb, mittlerweile ist die Farbgebung deutlich gedeckter. Schade eigentlich. Mit dem Abend erwacht das Leben in Mompós – Kinder kommen aus der Schule und kicken auf jeder freien Fläche, unter anderem auch vor Santa Bárbara.
Als es langsam dunkel wird, wobei das hier nicht passt, denn eigentlich wird es rasend schnell dunkel, trinke ich noch eine Limonada de Coco auf der Plaza und danach spaziere ich zurück zum Hotel.
Dort angekommen entscheide mich für ein Bad im Whirlpool auf dem Dach. Wilmar, der gute Geist des Hauses, schaltet für mich die Beleuchtung ein und dann genieße ich die Stille – bis 4 Italienerinnen kommen. Dann ist es mit der Stille vorbei, aber dafür entwickelt sich eine nette mehrsprachige Unterhaltung mit Blick auf die Dächer von Mompós und die Zeit bis zum Abendessen vergeht schnell. Heute gibt es Pacora in Currysauce und zuvor wieder Empanadas. Getränk der Wahl ist selbstverständlich wieder frischer Corozosaft und als Nachtisch gibt es einen Kuchen. Wieder einmal köstlich. Beim Abendessen leisten mir Rosalba und Gerardo gute Gesellschaft.
Ich werde herzlich verabschiedet und drehe dann noch eine Runde. Die Plaza ist heute noch leerer als gestern. Ich biege ab in die Uferpromenade und gönne mir an meinem letzten Abend in Mompós am Fluss einen Mojito.
Dann wird es Zeit, zurück zum Hotel zu gehen und meine Sachen zu packen. Um 5:00 werde ich nämlich abgeholt.
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