Nicht gerade hellwach und mit ein
bißchen Kopfweh steige ich um 5:15 ins Taxi zum Flughafen. Die Fahrt dauert nur
wenige Minuten und früher als gedacht stehe ich am Schalter von Viva Colombia.
Dank dazu gebuchter „Fast Lane“ bin ich gleich dran und mein Gepäck los. Nach
einem kurzen Bummel durch die Geschäfte im öffentlichen Bereich des Flughafens
gehe ich durch die Passkontrolle. Als ich nach einiger Wartezeit endlich an der
Reihe bin, muss ich dem Beamten zu einem anderen Schalter folgen, an dem die
Chefin arbeitet. Warum und wieso weiß ich nicht. Aber nach einigen Minuten
bekomme ich von ihr meinen Pass gestempelt zurück. Mal was Neues… Jetzt bin ich
jedenfalls offiziell aus Kolumbien ausgereist und irgendwie finde ich das auch
schade. Ich wäre gerne noch geblieben. Aber Panama ist ja (wahrscheinlich) auch
nicht schlecht. Der Abflug verzögert sich, das Gate wird von einem Endes des
Flughafen an das andere (weit entfernte) Ende verlegt, aber mit gut einer
Stunde Verspätung geht es dann mit der kolumbianischen Version von Ryanair und
Easyjet nach Panama. Der Flug dauert knapp 1 ½ ereignislose Stunden. Hätte ich
gewusst, wie der Tag weitergehen würde, ich hätte die Ereignislosigkeit mehr
genossen…
Viva Colombia fliegt nicht den
internationalen Flughafen von Panama City an, sondern eine ehemalige US-Air
Base auf der anderen Seite des Kanals. Anders als sonst bei Billigfliegern ist
der Flughafen sogar deutlich näher an der Stadt. Damit wären aber die Vorteile
auch schon aufgezählt.
Quälend langsam geht die Einreise vonstatten. Das kann
am großen Flughafen auch nicht länger dauern. Dann wird es richtig schön – mein
Gepäck ist nicht da. Als einzigstes. Das kann doch jetzt nicht wahr sein. So
richtig interessieren tut das niemanden, schon gar nicht die lustlose Dame, die
für die Fluggesellschaft arbeitet. Nach über 40 Minuten „darf“ ich endlich die
Verlustanzeige mit ihr erfassen. Sie kommt aber mit dem Formular so gar nicht
klar und eigentlich will sie nur ihre Ruhe. Und dem stehe ich im Wege. Sie
versichert mir, dass das Gepäck mit dem nächsten Flug – also morgen –
nachgeliefert wird. Direkt zum Hotel. Sie gibt mir dann noch eine Handynummer,
wo ich morgen nachfragen kann, dann ist für sie die Sache erledigt. Und ich
stehe in meinem „Winter“klamotten für das kalte Bogotá im tropisch-warmen
Panama. Super! Mittlerweile sind auch alle regulären Taxis weg und es bleibt
mir nur, ein teures Spezialtaxi für US$30 zum Hotel zu nehmen. Auf dem Weg
dorthin zapfe ich noch Dollars (die hierzulande auch Balboa heißen und die Landeswährung
sind) und kaufe eine SIM-Karte samt Guthaben. Und dann sind wir schon am Hotel
San Remo in einer wenig repräsentativen Ecke der Stadt angekommen. Das Hotel
passt ganz hervorragend in dieses Viertel – so viel lässt sich schon an der
Rezeption erahnen. Die Dame an der „Rezeption“ ist alles andere als
enthusiastisch, geschweige denn sympathisch. Oh Mann, warum bin ich nur weg aus
Kolumbien??!! Und dann stehe ich in meinem Zimmer. Wenn man das so nennen
möchte. Ein muffiges, dunkles Loch mit fleckig-pinken Wänden ohne Fenster und
mit einer alten Klimaanlage, die nach Schimmel stinkt. Das hat mir heute noch
gefehlt. Und so ein Schuppen wird auf booking.com mit „gut“ bewertet?! Na
bravo!
Nach meiner ersten depressiven
Phase gehe ich runter zur Rezeption und bitte mit Nachdruck um ein anderes
Zimmer, das den Fotos auf booking.com wenigstens nahekommt. Nach einigem Hin-
und Her wird mir eines versprochen, das ich mir aber zuerst einmal anschauen
möchte. Das Zimmer ist zwar auch nicht gerade gemütlich, aber mit großem
Fenster und neuer Klimaanlage eine ganz andere Kategorie. Das ist akzeptabel.
Allerdings muss ich noch 3 Stunden warten bis ich umziehen kann. Nachdem ich
überhaupt keine tropentaugliche Kleidung mehr habe (außer den Flipflops, die
ich im Handgepäck hatte), brauche ich dringend ein Einkaufszentrum. Und davon
gibt es in Panama Stadt einige. Das größte ist die Albrook Mall. Im Internet
lese ich, dass „Uber“ die perfekte Art ist, sich in der Stadt zu bewegen. Also
lade ich mir die App runter und registriere mich. Die erste Fahrt ist sogar
kostenlos. Und das funktioniert super – ein modernes Auto, ein netter Fahrer
und absolut faire Preise. Dafür sind die Taxifahrer hier nicht bekannt… In
wenigen Minuten bringt mich der erste Fahrer zur Mall und dann shoppe ich los.
Ohne jegliche Lust, aber was soll ich tun. Die Mall ist riesig und aus
irgendeinem Grund wiederholen sich ständig die Läden. So weiß ich nie so genau,
ob ich an der Stelle schon einmal war oder nicht. Das hebt die Laune.
Schließlich kaufe ich Unterwäsche, eine Short und Funktions-T-Shirts und dann
gehe ich zum Supermarkt ganz am anderen Ende der Mall und kaufe Duschgel und
was man sonst noch so dringend braucht. Und schon sind $80 weg. Ich laufe an
einem Crepes & Waffles-Restaurant vorbei und gehe kurzentschlossen hinein.
Ich habe wirklich keine Lust mehr mir heute noch etwas anderes zu suchen. Mein
Crepe mit Shrimps in Currysauce ist sehr gut und 5x so teuer wie in Kolumbien,
aber was soll´s.
Immer noch nicht sonderlich gut gelaunt fahre ich mit Uber in
mein Hotel und verbringe den restlichen Abend auf dem Bett in meinem deutlich schöneren Zimmer und schaue
Fernsehen.
Erstausstattung |
Am nächsten Morgen schlafe ich
bis halb neun und rufe dann gleich bei der Airline an. Mein Gepäck kommt mit
der Maschine heute und spätestens am frühen Nachmittag ist es im Hotel. Die
Dame erzählt mir, dass man ihr in Bogotá gesagt hätte, mein Gepäck wäre
irrtümlich wieder ausgeladen worden, weil man dort dachte, ich wäre nicht an
Bord. Das kommt mir mehr als komisch vor, denn es gab nie einen Aufruf, die
Verspätung lag laut Pilot an einem nötig gewordenen Flugzeugwechsel und ich war
auch noch der erste an Bord… Na gut. Ich fahre erst einmal mit der
ultramodernen Metro in Richtung historisches Zentrum, so wie im Hotel
empfohlen. Die Fahrt dauert eine Station – da wäre ich besser gelaufen, dann
hätte ich keine Metrocard kaufen müssen. Von der hässlichen und
heruntergekommenen Plaza Cinco de Mayo laufe ich die ebenfalls wenig
anheimelnde Avenida Central entlang. Links und rechts Läden mit billigen
Haushaltswaren, Losverkäufer, Minimärkte (immer von äußerst unfreundlichen und
nicht Spanisch sprechenden Chinesen betrieben) und Läden für Chinaschrott aller
Art. Hauptsache Plastik und billig. Ab der Plaza Santa Ana, dem Eingang zur
Altstadt, ändert sich das Straßenbild schnell und gründlich. Zwischen halb oder
ganz verfallenen Häusern stehen immer mehr perfekt restaurierte Stadtpaläste.
Die Altstadt Panamas ist seit 1997 Weltkulturerbe der UNESCO. Ich hatte mir
eine Stadt ähnlich wie Cartagena vorgestellt, aber Panama wirkt eher wie
Bilder, die ich von New Orleans kenne, also eher französisch als spanisch.
Viele Häuser sind sehr schön und aufwendig renoviert. In einem dieser Häuser
unweit der Plaza Central befindet sich ein einladendes, schickes Café. Genau
das, was ich jetzt brauche. Ich bestelle mir einen Cappuccino und einen kleinen
Pie de Limón, also Limettentorte. Sehr lecker.
Danach erkunde ich die Altstadt
weiter. Die ist schon schön, vor allem der Kontrast zwischen überrenoviert und
abbruchreifen Ruinen (zum Teil bewohnt) ist reizvoll, aber irgendwie hatte ich
mir mehr Flair, mehr Stimmung erwartet. Freiluftcafés oder Leben auf den
Plätzen eher Fehlanzeige. Auf der Plaza Central ist heute immerhin so eine Art
Nachbarschaftsfest mit einigen Kiosken und lauter Musik.
Ich ziehe ziellos um die Häuser
und ja, das ist nett, aber dafür muss man nicht nach Panama kommen, finde ich.
Ich unterhalte mich ein paar Mal ganz nett mit Straßenverkäufern und einer anglo-kolumbianischen
Familie, die seit ein paar Jahren in Panama Stadt lebt. Dann kaufe ich noch ein
panamaisches Nummernschild und Kühlschrankmagnete in einem Souvenirmarkt.
Indianerin der Kuna Yala in ihrer Tracht mit den typischen Molas |
Aufgepimptes Fahrrad |
Der Arco Chato, der Jahrhunderte überlebt hat, war ein gutes Zeichen für den Kanal . es gibt keine nennenswerten Erdbeben |
Aber
dann reicht es mir für heute mit der Altstadt und ich nehme ein Taxi zur
Miraflores-Schleuse am Panamakanal. Der Eintritt ist happig, aber wenn man
schon mal da ist… Noch scheint die Sonne, aber in Richtung Süden wird es
schwarz wie die Nacht. Bald geht die Welt unter! Ein passender Moment um im
Hotel telefonisch nachzufragen, ob mein Gepäck in der Zwischenzeit
vorbeigebracht wurde. Die niederschmetternde Antwort lautet „NO“. Das kann doch
jetzt nicht wahr sein, oder?!? Ich rufe sofort die Handynummer der Airline an,
aber da geht nur die Mailbox dran. Ich hinterlasse eine (energische) Nachricht,
rufe dann die Hotline von Viva Colombia in Kolumbien an und verschwende eine
Menge Geld ohne irgendwie weiter zu kommen. Zum aus der Haut fahren! Ich habe
nur noch morgen, denn übermorgen fliege ich in die Karibik und danach geht es
am nächsten Tag weiter nach Miami. Und wenn ich dann noch kein Gepäck habe, kann
ich wohl vergessen, meine Tasche noch einmal zu sehen… Ich bleibe trotz mieser
Stimmung am Kanal, denn für 17:00 Uhr sind Schiffe für eine
Schleusendurchquerung angekündigt. Das will ich sehen. Und es ist auch wirklich
sehenswert wie sich die großen Pötte in die engen Schleusenkammern zwängen. Im
Hintergrund fährt ein Super-Containerschiff durch den neuen Kanal…
Beeindruckend. Das Passieren der Schleuse geht dann erstaunlich schnell und
bald haben die Schiffe Miraflores hinter sich gelassen und ich sitze im Taxi
zum Hotel.
Noch scheint die Sonne - innerlich wie äußerlich! |
Der neue Kanal |
Ich habe keine große Lust mehr vor die Tür zu gehen und lasse mir
stattdessen eine Pizza von Domino´s kommen, kaufe zwei Bier und lege mich nach
dem Essen auf´s Bett.
Und es kommt der nächste Morgen,
der natürlich mit einem Anruf bei Viva Colombia beginnt. Es meldet sich ein
gewisser Juan Carlos, der mir zuerst einmal zusagt, dass ich für den gestrigen
Tag ohne Gepäck $50 erhalte und ich die hoffentlich zusammen mit meinem Gepäck
zugestellt bekomme. Ich soll mich gegen 11:30 Uhr wieder melden. Also gut. Dann
fahre ich jetzt erst mal in die Altstadt und spaziere da rum. Zum Frühstück
leiste ich mir wieder einen Cappuccino mit Pie de Limón und lustwandle weiter.
Was ist härter als der Tod? Das Vergessen! |
Leicht nervös rufe ich um 11:30
Uhr bei der Airline an. Jetzt spreche ich wieder mit der Dame. Sie erzählt mir,
dass ihr die Zentrale in Bogotá bestätigt hat, dass mein Gepäck in der heutigen
Maschine sein wird und dass die gerade im Landeanflug ist. Sie wird mich dann
in einer halben Stunde zurückrufen und mir die Ankunft bestätigen. Ich warte, zunehmend
nervöser und als ich auch nach einer Stunde noch nichts von ihr gehört habe,
rufe ich wieder an. Dann haut´s mir fast den Vogel raus – das Gepäck ist nicht
dabei, weil die Maschine aus Medellín und gar nicht aus Bogotá gekommen ist,
weil heute kommt gar keine Maschine aus Bogotá. Auf meine – unter Schnappatmung
– gestellte Frage, wie dann in aller Welt die Zentrale die Ankunft mit dem
heutigen Flug aus Bogotá zusagen konnte und wie es sein kann, dass sie als
Mitarbeiterin von Viva Colombia bei einer sehr überschaubaren Zahl der Flüge
nicht weiß, dass heute gar keine Maschine aus Bogotá kommt, kommt eine
ausweichende Antwort. Als ich dann sage, dass ich langsam nichts mehr glaube,
was sie mir sagt, ist sie spürbar beleidigt. Das ist mir aber auch vollkommen
egal. Ich brauche wirklich keine Märchenstunde… Sie will schon auflegen als ich
sie bremse und frage, wie ich denn nun an die mittlerweile $100 komme, die mir
zustehen. Das überfordert sie. Aber ihr Chef im Hintergrund coacht sie durch
das Gespräch. Sie versichert mir, dass sie sofort einen Kurier beauftragt, der
sich in allerspätestens 15 Minuten bei mir meldet um einen Treffpunkt
auszumachen. Na dann. Es ist wenig überraschend, dass ich nach 15 Minuten
keinen Anruf bekomme. Auch nicht nach 150 Minuten. Immer wieder hinterlasse ich
innerlich und zunehmend auch äußerlich kochend Nachrichten auf der Mailbox des
Airline-Handys. Nichts!
Drückt die Stimmungslage perfekt aus! |
Wütend fahre ich los, um zu kaufen, was ich für die
nächsten drei Tage Karibik so brauche. Zuerst fahre ich in die Altstadt. Wenn
ich schon ein Badehandtuch kaufen muss, dann wenigstens eines mit Panama-Motiv
als Souvenir. Gerade als ich das Handtuch zahlen will klingelt mein Handy. Oh
Wunder, die Dame von Viva Colombia. Sie will mir die $100 vorbeibringen. Ich
sage ihr, wo ich bin und sie meint, sie wäre gleich da. Über eine Stunde (!)
später steigt sie aus einem Taxi und übergibt mir das Geld. Dabei teilt sie mir
mit, dass das Gepäck morgen 1000%ig kommt. Sie scheint sich über meinen Mangel
an Vertrauen zu ärgern. Sei´s drum. Dann zischt sie ab und ich fahre in die
Mall und besorgen alles, was ich noch brauche. Und schon sind die $100 weg.
Panama ist alles andere als ein Billigland. Dann noch ein Crepe bei Crepes
& Waffles und zurück ins Hotel,wo das Packen für die nächsten drei Tage
nicht allzu lange dauert.
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